Die Welt braucht keine Superheldin – Wie ich lerne, meine Grenzen zu lieben
Von Andrea Wenk
Zur Autorin:
Erfahrungen als Pflegefachfrau, seelsorgerliche Beraterin, Mutter, Indienaufenthalt, Mann der Vollzeit als Pastor gearbeitet hat. 1 Jahr mit der Familie in Thailand als Missionare.
- Als
Pastorenfrau: Sie hat Angst nur biblische Geschichten im Kindergottesdienst
zu erzählen und bei Senioren Klavier zu spielen, aber „Ich darf selbstständig
und frei meine Berufung leben. Mein Mann und ich sind gemeinsam unterwegs, ein
jeder mit seinen Begabungen.“
„Wenn ihr einander nah seid, soll dennoch etwas Raum zwischen euch bleiben, in dem die Winde des Himmels tanzen können. Liebt einander, aber hütet euch davor, aus eurer Liebe eine Fessel zu machen.“ (Khalil Gebran) - Unterschiedlichkeit:
Der Mann will am liebsten jede freie Minute mit Jugend verbringen (Erholung in
Gemeinschaft). Sie kann da nicht mithalten, braucht Auszeiten für sich
(Erholung in Ruhe und Einsamkeit). -> Ich kann mich nicht schmerzhaft
verbiegen, damit ich jemand bin, der ich in meinen Augen sein sollte, um meinem
Mann zu gefallen, sonst werde ich irgendwann daran zerbrechen. Ich darf lernen,
mich selber so zu akzeptieren, wie ich bin (Stehe zu meinen Grenzen!). Ich darf
nicht vom Partner verlangen, dass er sich verbiegt sondern soll ihn ermutigen, seine
Stärken und Begabungen zu leben. Das Lebensland des anderen nicht als
Bedrohung, sondern Ergänzung sehen!
An gewissen Abenteuern meines Mannes kann ich Anteil nehmen, aber nie Teil davon sein, weil es nicht meiner Natur entspricht.
Sie: Ruderboot mit ausdauernder
Ruderkraft kommt am Steg immer wieder zur Ruhe, Fähigkeit sich auf ihr
Gegenüber einzulassen und ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
Er: Riverrafting-Boot auf stürmischen Wildwasser (Ich muss nicht dahin
folgen!)
- Gemeinschaft ist der Ort, an dem uns unsere Grenzen, unsere Ängste und unser Egoismus offenbar werden. Wenn wir alleine sind, können wir glauben, dass wir jeden lieben. Wenn wir dann aber mit anderen zusammen sind, mit ihnen die ganze Zeit zusammenleben, erkennen wir, wie unfähig wir sind, andere zu lieben, wie viel wir ihnen abschlagen, wie verschlossen wir in uns selbst sind.
- Es geht um die die heilsame Erkenntnis und versöhnende Wahrheit, dass ich keine Superheldin sein muss. Ich darf sein, wie ich bin!
- Wie viel Mut bekam ich mit, um unbekanntes Land zu erkunden? Oder bleibe ich lieber in den engen Mauern meiner Stadt?
- Gottes Sehnsucht und sein Wille ist es, meine Füße auf weiten Raum zu stellen. Er will mir Platz, Freiheit und Luft geben, damit ich mich in meinem Leben entfalten kann. Dazu gehört manchmal der schmerzhafte Prozess, dass ich alte Muster und Strategien loslasse und mich auf neue Leben spendende Wege begebe.
- Ich setzte Grenzen: Brauche z.B. am Anfang einer Beziehung immer etwas Zeit, bis ich anderen vertrauen und mich öffnen kann, gebe nicht so schnell persönliche Dinge preis
- Menschen ziehen Grenzen z.B. wenn sie mich ablehnen und ausschließen…
- Entscheidungen legen mich im gewissen Maße fest. Gleichzeitig geben sie mir aber auch Freiheit, denn sie zeigen mir, in welche Richtung mein Leben laufen soll. Ob ich etwas als Freiheit oder Einengung erlebe, ist eine Frage meiner Deutung und Einstellung. Manche Entscheidungen sind endgültig und die damit verbundene Grenze kann eine große Krise in mir auslösen.
- Ich muss die gelebten Kapitel meines Lebensbuches akzeptieren und zu einem Ja dafür finden.
- Mein Lebensweg und meine Aufgaben sind von dem gekennzeichnet, was ich mir durch mutige Entscheidungen angeeignet habe. Das macht mich frei, so zu sein, wie ich bin und frei, so zu leben, dass mein Leben gesegnet ist.
- Gott will nicht, dass ich wie eine Superheldin alle Lasten auf meine Schultern lade, sondern er will, dass ich ihm meine leeren Hände entgegenstrecke und sie mir von ihm füllen lasse.
- Freundinnen sind wie Schuhe: Wenn man jung ist, kann man nicht genug davon haben;
später stellt man fest, dass es immer die Gleichen sind, mit denen man sich
wohlfühlt. (Marion Kühl)
Freundschaften verändern sich mit der Zeit z.B. wenn man örtlich auseinander wohnt erlebt der andere Dinge, als ich. Man muss das Loslassen üben und bereit sein für Neues: „Umarmen und Loslassen.“ (Pred 3, 1-8) Denn auch die Nähe, die man mal hatte, bleibt nicht immer die Gleiche und kann nicht für immer festgehalten werden.
Das, was ich liebe, muss ich loslassen. Denn durch den Versuch, krampfhaft in der Umarmung zu verharren, habe ich die Hände nicht mehr frei, um das sich verändernde Leben zu umarmen und ein Ja dazu zu finden. Sonst erstarre ich in der Vergangenheit und merke nicht, dass das, was ich an mich binden will, schon lange weitergezogen ist.
Brauche Vertrauen in die Beziehung, dass sie der Distanz standhält und trotz Entfernung an Nähe gewinnen kann. Erfahre vielleicht, dass Loslassen kein Verlust ist sondern ein Gewinn. Und dass nur durch das Loslassen die Arme frei werden für eine neuerliche Umarmung… Ich akzeptiere, dass nichts auf der Welt ewig dauert und dass immer irgendwann ein „und“ kommt: die Zeit für Veränderung, eine neue Phase, ein „Ja“ zum Loslassen. - Egal, wie schwer es gerade ist, ich bin aufgefordert, die aktuelle Lebensphase zu bejahen.
- Man befreit sich nicht von etwas, indem man es meidet, sondern, indem man hindurchgeht. (Cesare Pavese)
- Das zu lernen, was uns die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen (Hudson Taylor)
- Tu, was du kannst und bete um das, was du nicht kannst, so wird Gott dir geben, damit du kannst (Aurelius Augustinus)
- Herausforderungen/Krisensituationen Z.B. andere Länder, Kinder bekommen: Es sind fast immer Situationen, die mir unbekannt sind und in denen ich mich unsicher fühle; Herausforderungen, die ich am liebsten überhaupt nicht erleben möchte, manchmal sogar von äußeren Umständen erzwungen.
- Bild vom Jonglieren: Versucht zu viele Bälle am Laufen zu halten z.B. in der Kleinkinderphase: „Wir haben uns für Kinder entschieden. Mit dieser Entscheidung akzeptiere ich auch die zeitintensive Aufgabe, sie in ein selbständiges Leben zu begleiten und zu erziehen. Ich kann nicht mehr einfach nur für meine Bedürfnisse leben.“ Ich kann auch Nein sagen, weil ich weiß, wozu ich Ja gesagt habe, dann bleiben genug Platz und Elastizität, um einer unvorhersehbaren Situation Platz zu geben.
- Vorbild
sein: Das Leben der Eltern ist das
Buch, in dem die Kinder lesen (Aurelius Augustinus).
Mich selbst an Grundsätze halten, die ich vermittle z.B.: Wenn man Termine ausmacht, muss man sich auch daran halten, wenn man keine Lust hat.
Der ist ein guter Prediger, der seine eigenen Ermahnungen befolgt: Ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzig sein (William Shakespeare). - Kinder nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, sie ermutigen und ihnen viel zutrauen, ohne sie zu überfordern. Sie ernst nehmen in ihren Gefühlen und Zeit haben für Nähe und ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn ich ihnen Grenzen setze überprüfen, ob sie nur aus meiner Angst heraus sind und gerechtfertigt.
Im Alltag:
- So fern mir Gott auch manchmal scheint, für mein Gefühl manchmal zu fern – er ist da, wartet unter der Oberfläche meines Alltags. (Bianka Bleier)
- Ich bin
zum Gestalten berufen, nicht zur Machtlosigkeit! (Kerstin Hack) Selbst
Verantwortung für Situationen übernehmen!
Statt unzufrieden und gestresst auf Anforderungen/Eintönigkeit des Alltags zu reagieren, Warnsignale früh erkennen und sich einen „Spielmoment“ verschaffen. Ich bin meinem Alltag nicht einfach ausgeliefert! Wenn der Alltag zu meinem Leben dazu gehört, dann heißt das für mich auch, dass mir Gott darin begegnen muss.
„Herr, der Töpfe und Pfannen, ich habe keine Zeit, eine Heilige zu sein und Dir zum Wohlgefallen in der Nacht zu wachen, auch kann ich nicht meditieren in der Morgendämmerung… Wenn mein Herz noch am Morgen bei der Arbeit gesungen hat, ist es am Abend schon längst vor mir zu Bett gegangen. Schenke mir, Herr, Dein unermüdliches Herz, dass es in mir arbeite statt des meinen… Herr der Töpfe und Pfannen, bitte darf ich dir anstatt gewonnener Seelen die Ermüdng anbieten, die mich ankommt beim Anblick von Kaffeesatz und angebrannten Gemüsetöpfen?…“ (Theresa von Avila) Kap. 17
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. (Talmud)
- Manchmal bin ich ganz bei mir, zufrieden mit meinem Platz und meiner Aufgabe. In dieser Zeit fühle ich mich gleichwertig, nicht bedroht von andersdenkenden oder schöneren, schlankeren, zielstrebigeren Menschen. Es braucht allerdings nicht viel und ich falle vom Gleichgewicht in den Minderwert. Plötzlich glänzt alles um mich herum, nur mein Leben ist glanzlos, sinnlos, mutlos. Was genau mache ich eigentlich den ganzen Tag? Hat es einen sinn – oder ist es nicht zwecklos? Sieht mich jemand? Irgendjemand?
- Worauf du deinen Blick richtest, was du fixierst, dahin fährst du!
- Dadurch, dass ich mir Zeit nehme, meine Gedanken zu ordnen, kann ich meinen Alltag ablegen.
- Nicht meine Umstände, sondern was Gott über sie sagt, sollen mein Leben bestimmen.
- Der geringste Mensch kann komplett sein, wenn er sich innerhalb der Grenzen seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten bewegt (Johann Wolfgang von Goethe).
- Vergleich Freundschaftsband/Lebensband: Jeder Faden ist eine Gabe, eng mit meinem Leben verknüpft. Manche Fäden müssen eine Zeit passiv sein (z.B. weil sich Lebensumstände ändern), manche sind aktiv, kein Faden darf fehlen, sonst gibt es Löcher im Lebensmuster. Bestimmte Fäden zu ignorieren, bringt das Muster um eine Farbe und Macht das Leben eintönig. Aus Angst vor Versagen kosten wir die Fähigkeiten oft nicht aus, die Gott uns gegeben hat und grenzen uns damit selber ein. All die bunten, spannenden Fäden sind zwar vorhanden, aber nicht sichtbar. Ich bin komplett, wenn ich die Fäden meines Lebensmusters kenne und brauche! Und das heißt, in Frieden mit meinen Grenzen leben. Es bringt auch nichts, andere um ihre Fäden zu beneiden.
- Um bewundert zu werden, sind wir bereit etwas auf Biegen und Brechen zu versuchen, das uns nur Albträume beschert, weil es schlicht und einfach nicht zu uns und unseren Gaben passt.
- In all den Ideenreichtum (v.a. im Internet) bin ich aufgefordert, bei mir selber zu bleiben und zu wissen, wer ich bin und was ich kann.
- Schwachheit ist in den Augen Christi nicht das Unvollkommene gegenüber dem
Vollkommenen, sondern eher ist Stärke das Unvollkommene und Schwachheit das
Vollkommene.“ (Dietrich Bonhoeffer)
Leider ist meine Rolle oft die Starke und Selbständige, diejenige, die Kraft hat und Kontrolle ausübt – die Superheldin. Leider stoße ich oft an meine Grenzen,, da ich das Gefühl habe, Lasten alleine stemmen zu müssen. Meine Seele glaubte lange der Lüge, dass ich nur vollkommen bin, wenn ich immer stark sein kann…. Aber auch der Stärkste wird mal müde, auch der Fähigste fühlt sich mal hilflos. Wenn ich dann meine, ich könnte alles selber stemmen, handle ich selbstzerstörerisch und ignorant. Ich darf auch kraftlose Tage haben und sie nutzen, um mich zu erholen! Die anderen sind nicht besser, oder schlechter. Sie sind anders! - Glück heißt, seine Grenzen kennen und sie lieben. (Romain Rolland)… und auch die Menschen mit ihren Grenzen zu lieben. Muss nicht in allen Punkten meine Grenzen erweitern.
- Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder als jener, der ohne Ziel umherirrt. (Gotthold Ephraim Lessing)
- Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung (Dietrich Bonhoeffer)
Kommentare
Die Welt braucht keine Superheldin – Wie ich lerne, meine Grenzen zu lieben — Keine Kommentare