Geschwister als Team
Ideen für eine starke Familie von Nicola Schmidt
Zur Autorin: Gründerin des „Artgerechts-Projekt“, Familienratgeberin, Wildniscamps für Familien
Im Durchschnitt streiten Geschwister 6,3x/Stunde, meist um Besitztümer, v.a. aber auch um Aufmerksamkeit der Eltern, Geschenke und Essen = Liebeszuwendungen (überlebenswichtige Ressourcen). Kleinkinder haben noch wenig Selbstregulationskompetenz, starkes Ich-Bewusstsein, wenig Einfühlungsvermögen.
Was belastet die Geschwisterbeziehung?
- Altersabstand unter 3 Jahren
- Gleiche Geschlecht der Geschwister
- Impulsiver Charakter, Kinder mit schlechter Selbstregulationskompetenz
- Beziehung zwischen Kind 1 und Kind 2
- Wenn Eltern die Kinder untereinander vergleichen: „besser als, schneller als…“, Bewertungen und Gegenüberstellungen. Vielmehr jeden einzelnen SEHEN und WAHRNEHMEN! Erzählen, wie jedes Kind für sich ist mit seinen Vorlieben und seiner Einzigartigkeit. Nicht jeder muss alles können. Talente und Neigungen sind wie Muskeln, die jeder entwickeln kann.
- Kein Lieblingskind haben (auch wenn ein Kind uns ähnlicher ist oder mehr unseren Wünschen entspricht), auch wenn wir die Kinder unterschiedlich lieben. Guten Eigenschaften des evtl. benachteiligten Kindes immer wieder bewusst machen.
- Wenn man Angst hat, das ältere Geschwisterchen zu verwöhnen. Braucht genug Liebe, damit es diese teilen kann. -> Rückschritte zum Babyverhalten zulassen.
- Straft ältere Geschwister, v.a. Jungs tendenziell öfter, erwartet zu viel vom Ältesten. Kind lernt, dass Konflikte mit Aggression und Strafen gelöst werden, so entsteht mehr Aggression.
- Die Großen nur helfen und Babysitten lassen, wenn sie es auch wollen.
- Teilen erzwungen wird: erzeugen sonst Situation der Knappheit, Angst und Konkurrenz
- Zwang: Kind muss mit dem anderen spielen!
- Entschuldigungen und Frieden erzwingen, kommt aber nicht von Herzen, dann schürt das Wut. Nicht jemanden Recht (Gewinner), anderen Unrecht (Verlierer) geben.
- Kinder in bestimmte Rollen stecken und auf Stereotypen festlegen (Kinder suchen sich oft die entgegengesetzten Rollen aus!). Kinder verhalten sich so, wie wir es von ihnen (unbewusst) erwarten! Kommen sonst bis ins Erwachsenenleben nicht mehr aus ihren Rollen heraus (= Selbstbild durch Sprache). Auch Stempel „talentiert“ sein, macht eher Druck und verhindert dass man sich durchbeißt.
Für ein reiches Leben brauchen die Menschen die Freiheit, alle Facetten ihrer Persönlichkeit zu leben! Nicht jeder muss alles können, auch wenn er viele Talente hat.
Beschreiben, was JETZT gerade heute ist, statt zu generalisieren (immer, nie…) - Wenn (auch negative!) Gefühle unterdrückt werden. Was wir unterdrücken, können wir nicht beherrschen lernen. Klare Unterscheidung: Du fühlst Wut, aber du bist nicht die Wut. Auch mit Jungs über Gefühle sprechen!
- Petzen: Petzen ist es immer dann, wenn ein Kind etwas sagt, was wir als Eltern weder wissen müssen noch ändern oder helfen können. Und wenn es niemanden schadet. -> Klar unterscheiden, was „petzen“ und was „Hilfe holen“ (wenn jemand zu Schaden kommt) ist, auch jedes Geheimnis das Kinder belastet darf erzählt werden.
Wenn Kind tatsächlich petzt antworten: 1 Gibt es noch etwas, was ich jetzt tun könnte?
2. Klar machen, dass ich keinen Handlungsbedarf sehe. 3. Schauen, was hinter dem Petzen steckt (z.B. Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Wichtigkeit, wichtig sein, zu sehr gemaßregelt werden…) - Täter (z.B. älteres Kind)-Opfer (jüngeres Kind)-Retter/Richter (Mutter)-Dreieck
-> Opfer muss selber aktiv STOP sagen! - Wenn Eltern selbst miteinander streiten (negatives Vorbild, Stresserzeugung)
Was fördert eine gute Geschwisterbeziehung?
Sprache gut einsetzen
Schon, wenn das Geschwisterbaby noch nicht geboren ist, unpersönliche Wörter wie „das Baby“,
„dein Bruder“ meiden, stattdessen mit Namen bezeichnen, großen Kind erklären,
welche Signale das Jüngere sendet.-> schult Einfühlungsvermögen (=
Voraussetzung zur Konfliktlösung), ist bei Kleinkindern aber noch nicht
ausgebaut.
-> Kinder, die aggressiver wirken, können sich oft weniger gut in andere
einfühlen und mitdenken, Perspektive des anderen einnehmen.
Entspannte Eltern
- Sehen ein Bedürfnis, statt ein schwieriges Kind
- Die meisten Eltern sind gestresst von: Erziehungsaufgabe, Zeitdruck, Haushalt, Freizeitstress
- Für sich selbst sorgen, um bei Kinderstreit nicht in Zustand ständiger Alarmbereitschaft zu fallen und überlegt, statt impulsiv zu reagieren.
Kein Freizeitstress
Keine unnötigen Kurse, auch wenn sie Kinder scheinbar fördern…
Meins!
- Geschwister sind Rivalen, wenn es um Aufmerksamkeit/Liebe der Bindungspersonen geht.
- Kind nicht zwingen, dass es Spielsachen teilen muss
Richtig loben
- Prozess
und Anstrengung loben: „Du hast lange an dem Bild gemalt. Jetzt kann ich es
richtig gut erkennen.“ Kind muss lernen, was zu guten Malen führt: sehr
angestrengt, viel geübt, lange probiert, scharf nachgedacht, mit viel Energie
versucht,…
Jede Fähigkeit ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. - Individuelle Fortschritte loben
- Wenn wir nur Begabung oder Intelligenz loben, geben Kinder schneller auf.
Kindern Regeln sagen, die wir erwarten
- Sprechen, statt schlagen!
- Kaputt machen und wegnehmen geht nicht!
- Wer alleine spielen will, darf das!
Von guten Absichten ausgehen
z.B.: „Ich glaube, deiner Schwester geht es nicht gut, denn sie kann auch ganz anders sein, das weiß ich.“ Klarstellen, dass jeder mal etwas falsch macht, aber deshalb kein schlechter Mensch ist.
Vermitteln
Sag deiner Schwester, dass du nicht angefasst werden willst. Sie ist klug, sie versteht das! Gefühle des anderen benennen, Bedürfnisse übersetzen: Sie will das nicht, wenn sie schreit.
Genau beobachten…
- Wann Kinder streiten, wenn sie müde oder hungrig, durstig, gelangweilt, unzufrieden sind? Welche Tageszeit?
- Welche eigentlichen
Themen stecken hinter ständigen Streitigkeiten. Was bringt das Kind aus der
Balance?: Wen liebt ihr mehr? Muss ich Angst haben, dass Oma stirbt? Bekomme
ich mehr Aufmerksamkeit, wenn ich lauter und länger schreie?
->genug 1-zu-1 Zeit täglich mit jedem Kind! - Haben sie zuvor stressige Situationen erlebt (in Familie, Kindergarten, Freunde) und geben diese unangenehmen Erfahrungen an Geschwister weiter?
- Ventil für unterdrückte Gefühle: Trauer, Neid, Eifersucht, Angst
- Kinder immer einen Schritt voraus sein!
Ebenen des Streits:
- Zanken (Erwachsener muss nicht eingreifen)
- Echtes
Streiten: meist Interessenskonflikte um Sachen! Welt der Sachen ist für
Kinder unglaublich wichtig, ist wie ein Teil von ihnen.
ruhig bleiben + Kinder beruhigen-> zuhören (beiden Seiten)+beschreiben lassen-> Gehörtes wiedergeben, Gefühle bei den Kindern benennen-> Lösung erarbeiten (Bedürfnisse befriedigen), Kinder um Lösung fragen und diese dann umsetzen bzw. bei Umsetzung begleiten, Kleinen Kindern mit Vorschlägen helfen, Regeln benennen,
Beispiele: Sich als Spielgefährte anbieten, Ort wechseln, abwechselnd spielen, zwei gleiche Spielsachen anschaffen, anderes Spielzeug oder eine gemeinsame Aktion anbieten, miteinander statt gegeneinander beim Rollenspiel, Zur Not: Kinder trennen: „Ich glaube, dass ihr euch gleich richtig wehtun werdet und das hier zu wild wird. Deshalb gehen wir jetzt raus…“ - Gefährliches Streiten
- Nicht Detektiv oder Schiedsrichter spielen: nach Ursachen oder den Schuldigen forschen oder wer angefangen hat!
- Immer wieder herausstellen: Es geht darum, dass wir gut zusammen leben können. Wir wollen die Dinge gemeinsam tun, nicht gegen einander.
- Eltern müssen bei echten Streitereien eingreifen, sonst lernt das schwächere Kind, dass nur das Recht des Stärkeren gilt.
- Wenn Kinder schon eine gute Beziehung zueinander haben, wird dies auch im Erwachsenenalter so bleiben.
Zitate:
- Wer nichts hat, der wird nicht genügsam, sondern unglücklich.
- Freude am Tun ist wichtiger, als eine besondere Begabung! Malen, Tanzen, Musizieren ist für alle da, nicht reserviert für die besonders Begabten.
- Wenn wir konsequent die Beziehung über alles andere stellen, was wir glauben tun zu müssen, dann werden auch die Kinder immer sanfter miteinander umgehen.
- Streit ist Moralentwicklung (Fairness, Teilen, Gerechtigkeit) und echtes Training fürs Leben! Sie lernen, wie man sich auf Regeln einigt, Interessen unter einen Hut bringt, Verhandlungen führt. -> Win-win-Situationen schaffen.
- Zeit verlieren (zum Schlichten), um Zeit zu gewinnen!
- Wir können keinen Frieden schaffen, indem wir die Kinder anschreien oder gewaltsam trennen.
- Sei zu einem aggressiven Kind niemals aggressiv. Denn sonst lernt es genau das: Aggression.
- Wenn die Beziehung bereinigt ist, erledigen sich viele andere Konflikte von selbst.
- Es geht nicht darum, dass die Kinder alles korrekt sagen, tun oder können. Es geht darum, sie sein zu lassen.
- Strafen führen nur dazu, dass Menschen die Quelle der Sanktionen vermeiden, aber nicht das Verhalten ändern, erziehen Kinder eher zum Lügen.
- Wir erwarten oft das, was wir kennen, und sehen, was wir zu sehen glauben.
Praktisches:
- Krönungsformel zum Erstgeborenen: Du bist der erste, der zu uns gekommen ist. Dein Bruder der Zweite. Du bist der Ältere, dein Bruder der Jüngere. So ist es und so bleibt es für immer.
- Demonstration der Liebe: Kerze als Zeichen der ganzen Liebe, an der die anderen Kerzen (Kinder) angezündet werden, um zu zeigen, dass die Liebe nie weniger wird, wenn man sie teilt.
- Spiele
als Konfliktlösung: z.B. Kinder streiten sich um ein Spielzeug. Wir
schnappen es und rennen damit davon möglichst tollpatschig von Kindern
gemeinsam fangen lassen.
Streit immer zu einem bestimmten Anlass? Dann damit anfangen, dass jetzt Streitzeit wäre und die Kinder sich nun bitte zanken und viele Vorschläge machen, um was man streiten könnte, Kissenschlacht oder Showkampf (Ventil für Energie schaffen). - Teamaktionen: (Wort „Team“ bewusst einsetzen) alle zusammen machen etwas, was einer alleine nicht schafft z.B. Blumenstrauß pflücken, Einkäufe hochtragen usw. danach eine gemeinsame Belohnung z.B. Wir gehen ins Schwimmbad aber davor müssen wir noch aufräumen.
- Gemeinsames
- Singen, Musizieren, Tanzen, Reimen, Lachen, präventives Brüllen
- Jedem Kind eigene Räume schaffen, auch wenn kein eigenes Zimmer möglich ist. Aber eigene Kisten, Körbe, Schrank, Fächer, eigene Freunde, eigene Aktivitäten…
- Wichtigste Grundlagen: einander sehen, lieben, verstehen, in Kontakt bleiben.
- Fragen, um emotionale Intelligenz der Kinder zu fördern: Wie hast du dich gefühlt? Was wolltest du? Wie hast du versucht, es zu bekommen? Was ist passiert? Hast du /dein Bruder/Schwester erreicht, was du wolltest? Was meinst du, wie hat es sich angefühlt. Gibt es noch einen anderen Weg?
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