Mein Sonntag wie im Bilderbuche?
„Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat!“, so heißt die bekannte Bibelstelle aus Mk 2, 27.
Wie sehr habe ich mich die letzten Jahre nach der Wahrheit dieses Verses gesehnt. Und wie wenig habe ich selbst dazu beigetragen, dies umzusetzen. Stattdessen ließ ich mich von äußeren Erwartungen oder Scheinerwartungen in ein Hamsterrad der Erschöpfung pressen. Die folgenden Zeilen möchten niemanden kritisieren oder anklagen. Ich selbst war diejenige, die sich ändern musste…
Als Frau eines Copastors fühlte ich mich dem Erwartungsdruck ausgesetzt, jeden Sonntag in der Gemeinde präsent zu sein, besonders wenn mein Mann predigte. Es sollte sichtbar sein, dass ich hinter seinem Dienst stehe, ihn unterstütze, für ihn (besonders vor jeder Predigt) bete. Dass die Gemeinde für uns als gesamte Familie eine „geistige Heimat“ darstellte, schloss natürlich auch mit ein, dass unsere Kinder jeden Sonntag fein rausgeputzt dabei waren und am Kindergottesdienst (zumindest unser Großer) teilnahmen.
Aber wen interessierte dabei, wie es hinter den Kulissen meines Innersten aussah, Stunden bevor der Gottesdienst überhaupt anfing? Ich ziehe die Vorhänge etwas zurück und gewähre einen kleinen Einblick: Ab 6 Uhr morgens sind die Minuten voll durchgetaktet, um pünktlich zum Gottesdienst bzw. zur Gebetszeit vor dem Gottesdienst zu erscheinen: Drei Kinder vor dem Frühstück wickeln und mit alten Klamotten anziehen, frühstücken, Bad fertig machen, wieder in Sonntagsoutfit werfen, nochmal wickeln, alles für 3 Stunden packen: Ersatzwäsche, Windeln, Trinken für jeden in der entsprechenden Flasche, Knabbersachen für Quengeleien, Babynahrung, Trage usw. Alle Kinder v.a. im Winter in Jacken, Mützen, Schuhe packen (was alleine schon 30 Min. dauert und wegen der Langeweile der Wartenden meist zu Streit führt). Dabei muss mein Mann (innerlich mit der Predigt beschäftigt) erst mal schauen, dass er selbst pünktlich fertig wird, immerhin spielt er die Hauptrolle! Wie ich mich badfertig mache, während ein Kind auf das andere losgeht, der Jüngste umfällt und schreit und der Große mit voller Überzeugung verkündet, dass er keine Lust auf Gemeinde hat,… das bleibt mir überlassen. Die Zeiten aufwändiger Schminke sind vorbei, nur schnell die Augenränder und damit den chronischen Schlafmangel überdecken. Ein farblich passendes Outfit auszuwählen verschwendet ebenfalls zu viel Zeit, daher schlüpfe ich nur schnell in eine neue schwarze Hose. Die von heute Morgen ist schon wieder mit Kotzflecken übersäht. Wir müssen noch eine Stunde früher da sein, als alle anderen, da mein Mann zum Gebet vor dem Gottesdienst und für Absprachen anwesend sein soll. Als wir noch ein Zweitauto hatten, bin ich mit allen Kindern nachgekommen. So viel entspannter war das auch nicht, da nur noch weit entfernte Parkplätze frei waren und ich mit allen drei im Schlepptau (hoffend, dass niemand mit seiner Sonntagshose in den Matsch fällt) auf Wanderung gehen musste.
Wir kommen also gestresst und zeitlich knapp in der Gemeinde an, der Vorhang geht auf. Dabei hat mein Jüngster schon im Auto gebrüllt, weil er wieder übermüdet ist. Warum auch habe nur ich so ein reizoffenes Kind, das weder im Auto noch in der, von Sinneseindrücken nur so übersprudelnden Gemeinde schläft?! Nach einer Ausziehprozedur (Hoffentlich finden wir wieder alle Mützen und Handschuhe!) bringe ich den Ältesten zum Kindergottesdienst. Leider will er dort nicht alleine bleiben. Mein Mittlerer will unbedingt, darf aber noch nicht, da er noch nicht alt genug ist. Ich versuche einen Trotzanfall zu verhindern. Mein Kleinster bräuchte immer noch einen ruhigen Raum, um einzuschlafen. Doch wo finde ich den in einem übervollen Gemeindehaus? Nette Leute begrüßen mich, wollen mit mir reden. Die Kinder zerren an mir, langweilen sich. Und der Kleinste schreit mittlerweile. Nachdem ich stillend auf den Kinderstühlchen der „Sonntagsschule“ sitze (oh eigentlich nur im Stillzimmer gestattet!), versuche ich meinen Ältesten davon zu überzeugen, dass er nun alleine bleiben kann, ich ihn wieder rechtzeitig abhole. Mit den anderen beiden mache ich mich Richtung Stillzimmer auf. Der Gottesdienst hat bereits mit dem Lobpreis begonnen, das bekomme ich nur so am Rande mit. Ich stille meinen Kleinsten, der am wegdämmern ist und behalte den Mittleren im Auge. Der kommt stürmisch auf mich zugerannt, will dass ich mit ihm spiele. Dabei weckt er seinen Bruder wieder auf und dieser weint erneut… Die anderen Mütter schauen mich mitleidsvoll an. Ich versuche die Zeit irgendwie zu überstehen. Von der Predigt kann ich keinen einzigen Gedanken mitnehmen, aber zumindest habe ich mitbekommen, wer Predigt. Besser gesagt habe ich es schon davor gewusst… Wie eine freisprechende Erlösung kommt es mir vor, als die Abschiedsworte gesprochen werden. Jetzt nur noch durch das Getümmel, meine Kinder packen, meinen Mann aufsuchen und nichts wie nach Hause. Aber leider hat er noch Gespräche zu führen und für Leute zu beten…. Die Kinder sind halb verhungert, der Kleinste nach 10 Min. Schlaf wieder aufgewacht. Irgendwie versuche ich mit einem Kind auf dem Arm, in der anderen eine überquellende Wickeltasche, Essen zu organisieren. In der Zwischenzeit geht ein Kind verloren und heult, weil es mich in der Menschenmasse nicht mehr findet. Wenn ich jetzt aus der Reihe gehe, darf ich mich wieder ganz hinten anstellen. Leider sind die Kinderstühle alle besetzt. Aber ganz hinten ist noch ein Tisch mit zwei Plätzen frei. Dort quetschen wir uns dann hin, nachdem ich es irgendwie geschafft habe, die heißen, vollen Teller und hungrigen Kinder ohne größere Unfälle dort hin zu manövrieren. Irgendwann kommt mein (ebenfalls ausgehungerter) Mann und fragt: „Hast du für mich nichts zum Essen organisiert?“ Dabei schiebe ich ihm das kalte Essen hin, welches die Kinder verschmähten, bei der Großküche ist alles leergekauft.
Einer hat die Windel voll, der andere ist ausgelaufen. Wieder quetsche ich mich durch die Menschenmenge zum Wickeltisch und schreie meinem Mann noch zu, er solle sich mit dem Essen beeilen. Nach der Wickelaktion sitzen wir kurz als Familie am Tisch, werden aber alle 5 Min. unterbrochen, weil noch jemand das Gespräch sucht. Auf der Heimfahrt erzählt mir mein Mann, welch tiefe Begegnung er mit Gott im Lobpreis hatte und wie gesalbt die Zeit im Gebet war. Ich mache drei Kreuzzeichen, als wir um 14 Uhr endlich zu Hause sind, der Vorhang sich wieder schließt. Doch der Tag ist für mich gelaufen, auch der Kleinste wegen Übermüdung zu nichts mehr zu gebrauchen. Da ist keine Energie mehr für einen Ausflug oder auch nur einen Spaziergang mit der Familie. Ich brauche den Rest der Woche, um mich von diesem Sonntagsauftritt zu erholen. Dabei frage ich mich: Bin ich so unbelastbar? Nach außen hin ist ja alles gut gelaufen, die Gemeinde applaudierte. Andere Mütter schaffen es ja auch… Oder bin ich einfach nur anders? Wie auch immer…

Viele frustrierte und erschöpfte Sonntage wiesen mir den Weg zu dem eingangs erwähnten Vers. Ich begann mich zu fragen: Was möchte Gott an einem Sonntag von mir – unabhängig von dem was die Menschen, die Gemeinde, die Zuschauer oder wer auch immer von mir wollen? Und da hörte ich ganz leise in mir ein Flüstern: „Sei einfach da, so wie du bist, ungeschminkt und echt. Nimm dir Zeit für jeden einzelnen deiner Kinder, schau ihnen in die Augen… Du darfst auch noch um 10 Uhr im Schlafanzug auf dem Sofa sitzen, ihnen ein Buch vorlesen und einfach genießen, dass ich dir diese Kinder geschenkt habe. Du darfst gemütlich Frühstücken (was ich meist ausgelassen habe, weil ich alle anderen versorgen musste), eine Seite in deinem Andachtsbuch lesen.“ Welch ein Aufatmen! Welch eine Freiheit! Welch Balsam für meine Seele!
Während der Große es genießt endlich mal ungestört in seiner Bauecke in seiner Fantasiewelt aufzublühen, ohne vom nächsten Termin herausgerissen zu werden, lächelt mir die Sonne entgegen. Endlich kann ich sie wahrnehmen kann! Mein Mittlerer genießt die Zweierzeit mit mir, während der Kleinste den halben Vormittag schläft. Seitdem freue ich mich auch wieder auf einen Familienausflug am Nachmittag! …und endlich weiß ich, wie Gott den Bibelvers meinte…Ich glaube, er zwinkert mir von oben zu. Danke, für den Sonntag!
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