Die unantastbare, heilige Leiterschaft fordert meine Unterordnung
Ich habe heute eine neue freie evangelische Gemeinde besucht. Das Gemeindegebäude war modern und einladend gestaltet, die Liedertexte an die Wand gebeamt, die Menschen offen und herzlich auf mich zukommend.
Gepredigt wurde über die murrenden Israeliten, die sich in der Wüste Gott und ihrem Leiter Mose widersetzt hatten und deshalb in der Wüste sterben mussten. Sie sollten ein abschreckendes Beispiel auch für uns sein, was passiert, wenn wir uns geistlichen, von Gott eingesetzten Leitern und Autoritäten widersetzen. Nur stolze und selbstgefällige Menschen würden die von Gott gegebenen Leiter kritisieren. Zementiert wurde die Aussage mit der Bibelstelle:
„…erhebt euch nicht über andere, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens…“
(Eph 4, 2).
Als ich nachfragte wurde deutlich: Auch in dieser Gemeinde wurden Frauen aus dem Predigt- und Leiteramt ausgeschlossen. Die erwähnten Worte dockten ziemlich schnell an meine bisherigen Gemeindeerfahrungen an, wo jedes kritische Nachfragen als Angriff unterdrückt wurde, wo keine Diskussionen erwünscht waren, wo ich mich bitte ruhig und anständig, „wie es sich als Frau gehört“, im Hintergrund halten sollte – sonst würde ich mich nicht nur aufmüpfig gegen Gottes Leiter, sondern gegen Gott selbst versündigen. Mir wurden sehr schnell, vom teuflischen Geist der Isebell getrieben, stolze, rebellische Absichten unterstellt. Dabei ging man davon aus, dass der Leiter selbstlos, von Gott persönlich eingesetzt (ähnlich wie der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden – was für eine Anmaßung!), heilig, fehlerlos und ein christliches Vorbild für alle darstellte (vgl. 1. Tim 3, 1-13). Wer bitte prüft das wirklich und hat tatsächlich Einblick, wie sich der Pastor am Montag Morgen verhält, wenn ihn seine Kinder um 5 Uhr lautstark aus dem Bett trommeln? Steht er überhaupt auf oder überlässt er das seiner Frau??? Es ist nicht immer God, das glänzt…
Dass ich einfach ein selbst denkender, reflektierter Mensch bin (der auch die Bibel studiert hat und damit nie abgeschlossen hat), der gerne hinterfragt und Dinge auf dem Grund geht, der Unstimmigkeiten erkennt und dazu lernen möchte, daran wurde nicht gedacht. Wieder einmal wurde mir klar: Ich egge mit meiner Art an. Selbstdenkende und kritische Persönlichkeiten sind in der „Gemeinde Jesu“ nicht erwünscht. Es geht um Anpassung in der Gruppe aller Gläubigen, um ein Gemeinschaftsgefühl um jeden Preis, ein Glattbügeln und Verehrung der männlichen Autoritäten. Querdenker, die genauer „ranzoomen“, sind unbequem und könnten Fälschungen aufdecken.
Daher: Ich stehe auf gegen jegliche Unterdrückung und Heuchelei, besonders in den christlichen Kreisen, die sich den Sinn Jesu auf die Fahne schreiben. Ich protestiere gegen einen Missbrauch der Bibel, indem einzelne Verse aus dem Zusammenhang gerissen werden, um die eigene Meinung zementieren – v.a. wenn sie am „Sinn Jesu“ vorbei geht. Werden wir doch mal ehrlich, weiten wir doch unseren Horizont und lassen uns hinterfragen, wirklich den Geist Jesu einkehren, der FREIHT (2. Kor. 3, 17) ist, der Freiheit im Denken zulässt, der sich durch Fragen nicht bedroht weiß. Nur ein Glaube, der den Stürmen standhielt, ragt in die Tiefe. Nur Gold, das im Ofen geläutert wurde, hat die Prüfung bestanden (vgl. Jes. 48, 10). Gott hält unsere offenen Fragen, unsere Zweifel ja auch unsere Anklage aus, wir Menschen oft nicht. Er fühlt sich in seiner Gottheit, Allmacht und Autorität nicht bedroht – daher hat er sie für immer.
Ich bedanke mich für die heutige Erfahrung, ohne der ich niemals diesen Blogeintrag geschrieben hätte.
In diesem Sinne schließe ich mit einem meiner Lieblingszitate (von wem auch immer):
„Freiheit ist die wunderbare Zumutung, selbst denken zu dürfen.“ … und wie wäre es, wenn die Gemeinde Jesu Andersdenkende als Bereicherung, statt Bedrohung sehen würde? Doch das erfordert Offenheit und Mut.
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