Die Frau – beschnitten, unterdrückt und doch unglaublich stark
Während ich im Auto unterwegs bin, höre ich wie so oft die Nachrichten im Radio. Darin wird berichtet, dass nun eine verschärfte Geldstrafe für alle eingeführt wird, die Genitalbeschneidungen bei Mädchen in Deutschland vornehmen oder fördern, besonders für die eigenen Eltern. Die nüchterne Berichterstattung schlägt bei mir wie eine Pfeilspitze ein. Sie löst tiefe Betroffenheit in mir aus, so dass ich meine Tränen unterdrücken muss (Im Nachhinein frage ich mich, warum eigentlich „unterdrücken“, denn ich saß alleine im Auto…). Außerdem macht sie deutlich, welch gigantisches Ausmaß dieses Problem mittlerweile auch bei uns in Deutschland angenommen hat.
Ich lausche der Reporterstimme: „Obwohl diese Praktik der Mädchenbeschneidung ursprünglich z.B. in 30 afrikanischen oder arabischen Ländern (z.B. Omen und Jemen, Ägypten) praktiziert wird, betrifft sie auch c.a. 65 000 in Deutschland lebende Migrantinnen.“ Mir wird so eindringlich bewusst, dass es hier nicht um ein Thema am anderen Ende des Globus geht, obwohl 200 Millionen Frauen weltweit davon betroffen sind. Auch meine ausländischen Schülerinnen (ich bin Lehrerin und arbeite derzeit an einer Brennpunktschule mit hohen Migrationsanteil) hier in Deutschland könnte es treffen. Nicht selten reisen sie in den Ferien in ihr Heimatland und müssen diese Gewalthandlung an sich ergehen lassen. Ich sitze im Auto, bin geschockt, betroffen und angerührt zugleich. In mir steht einmal mehr dieser Geisteskampf gegen Ungerechtigkeit auf.
Dann, am gleichen Abend zu Hause stoße ich zufällig (???) auf ein Video, welches wieder die Genitalbeschneidung bei Frauen thematisiert. Zufall? Oder ist es Gottes Zeigefinger? Mir wird das Ausmaß dieses Verbrechens immer mehr bewusst und die brutale Unterdrückung von Frauen, um die es letztendlich geht. Wenn es einen Teufel gibt, dann ist die Mädchenbeschneidung eine seiner niederträchtigsten Taktiken, um Frauen und damit Menschenleben zu vernichten. Da wo weibliche Kraft, Frische, Dynamik und Selbstbewusstsein die Welt verändern könnte, verwandelt ein Radikalschnitt alles in eine tote, trostlose Wüste.
Teuflische Lügen hinter dieser Praktik
Den Frauen wird vorgemacht, dass ihre Klitoris teuflisch sei, dass sie den Mann und den erstgeborenen Sohn verletzen würde, dass sie wie ein Stachel bis zum Boden wachsen würde. Die Frau sei mit Klitoris unrein. Kein Mann würde sie so heiraten. Nur eine beschnitte Frau sei eine richtige und keusche Frau. Die Ehre der Familie hängt von der Beschneidung der Mädchen ab. Solche und ähnliche Lügen werden Mädchen und jungen Frauen mit der Muttermilch eingeimpft, um sie für die eigene Beschneidung (oder die ihrer Kinder) gefügig zu machen.
Vorgehen bei der Genitalbeschneidung
Meist werden, ohne Betäubung, mit einer (oft stumpfen und ungereinigten) Rasierklinge oder einem Messer die inneren und äußeren Schamlippen und die Klitoris entfernt. Die Vagina wird bis auf eine kleine Öffnung für die Menstruationsblutung zugenäht. Diese Radikalbeschneidung nennt man Infibulatio. Zwei weitere Arten der Beschneidung sind Klitoridektomie (Entfernung der Klitoris) und Exzision (Entfernung der Klitoris und der inneren Schamlippen. Diese wird schon an Babys, aber auch an kleinen Mädchen bis max. 16 Jahren vollzogen. 25%, also ¼ (!!!) der Mädchen sterben während des Eingriffs oder an den Folgen (z.B. an Infektionen oder Verbluten)! Überleben sie die Verstümmelung, kämpfen sie ein Leben lang mit den physischen und psychischen Folgeerscheinungen.
Lebenslange Folgen/Folter für die Frauen
- Das Mädchen ist direkt nach der Beschneidung mit extremen Schmerzen konfrontiert. Urinieren oder Hinsetzen, aber auch gehen, jede Art von Bewegung– alles schmerzt.
- Die Frau wird ihr Leben lang chronische Schmerzen aushalten, v.a. beim Geschlechtsverkehr, bei der Periode und bei einer Geburt führt das vernarbte und verhärtete Gewebe zu starken Schmerzen.
- Inkontinenz und Unfruchtbarkeit sind weitere Folgen.
- Natürliche Geburten sind unmöglich, oder für Frau und Baby lebensbedrohlich.
- Die Frauen leiden unter den Folgen dieses Traumas, entwickeln Angststörungen, Depressionen und kämpfen mit einem geringen Selbstwertgefühl.
- Beim Geschlechtsverkehr ist das sexuelle Lustempfinden durch die fehlende Klitoris und anderweitige Schmerzen nahezu unmöglich. Sex wird zur beabsichtigten Qual für die Frauen. Das, was Gott ursprünglich den Frauen als lustvolles Erleben schenkte, wird zur Quelle der körperlichen Entfremdung. Die Frau muss ihr schmerzendes Genital, ja ihren Körper von ihrer Person abspalten, um den Schmerz zu verdrängen und im Leben funktionieren zu können. So wird der eigene Körper zum Feind. Der Mann aber dominiert und verfügt über ihn, ohne Rücksicht auf die Gefühle oder körperlichen Schmerzen der Frau. Somit ist der Boden für die weibliche Unterdrückung und die männliche Herrschaft gelegt. Sie lässt Frauenleben sterben und vertrocknen.
Gesetzliche Verbote greifen nicht – Einzelfrauen stehen auf
2011 wurde z.B. in Kenia die Beschneidung verboten. In der Bevölkerung lebt diese Tradition jedoch weiter. Sie wird oft heimlich durchgeführt. Die Regierung ahndet Verstöße zu wenig. Das gilt ebenso für andere Länder.
Ich bin so dankbar für Frauen wie Fadumo Korn. Sie ist selbst Betroffene und hat das Leid am eigenen Körper, ja an ihrer Seele erfahren. Hände und Füße verkrüppelten sich als Folge ihres Traumata. Heute steht sie mutig auf, klärt Mädchen und Frauen auf. Sie hat den Nala E.V. gegründet und setzt sich für verstümmelte Frauen ein. Fadumo begleitet diese Frauen auf ihren Weg in ein menschenwürdiges Leben. Sie finanziert Frauen Op´s, welche den Beschneidungsprozess nahezu rückgängig machen können. Die seelische Heilung jedoch ist ein schwieriger und langwieriger Weg. Oft bleiben diese Herzensnarben ein Leben lang…
Das Thema schlägt Wellen, Frauen blühen auf…
Am Abend erzählte ich meinem Mann von dem Thema und davon, wie sehr es mich innerlich bewegt. Auch er zeigte sich tief betroffen. Er musste zugeben, über manche erschütternde Fakten nicht Bescheid gewusst zu haben. Gleich am nächsten Tag in der Arbeit kam eine Klientin auf meinen Mann zu und erzählte ihm von dem DVD-Film „Die Wüstenblume“. Mein Mann konnte es nicht glauben: Der Film hat es sich zum Thema gemacht, anhand einer Biographie die Beschneidungen von Frauen zu kritisieren!
Innerhalb von zwei Tagen verfolgte mich und meinem Mann also dieses Thema von allen Seiten. Manche behaupten vielleicht, dies sei Zufall. Ich sehe es als Auftrag, um genau diesen Blog zu schreiben. So lange ich lebe, werde ich mich für die Würde und den Wert von Frauen einsetzen! Denn Gott selbst hat ihnen dieses Ansehen zugesprochen. Mit all unseren Fettpolstern, Falten und Hängebrüsten hat er jede einzelne von uns wunderschön und einzigartig erdacht, uns zu einzigartigen Individuen geformt. Nichts wünscht er sich mehr, als dass diese Schönheit wie eine Knospe erblühen und aufblühen kann, allen Umständen zum Trotz! Denn selbst wenn man eine Pflanze stutzt und beschneidet, treibt sie doch mit aller Kraft erneut aus! So treibt auch aus den beschnittenen Frauenseelen neue Lebenskraft. Ich glaube zutiefst: Durch Gottes Liebe wird dies möglich und zu seiner Ehre!
Quellen:
– https://www.ardmediathek.de/ard/video/frau-tv/weibliche-genitalverstuemmelung-und-ihre-folgen/wdr-fernsehen/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTFkMTU5Njc5LWIwZGEtNDIwMi05MGI4LTI0NTIzNDZiNmFmYQ/. 06.02.2021
– https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kenia-genitalverstuemmelung-100.html-. 06.02.2021
Kommentare
Die Frau – beschnitten, unterdrückt und doch unglaublich stark — Keine Kommentare