Der kleine Elefant mit der dünnen Haut – die Geschichte eines hochsensiblen Kindes
Latif, kleine Elefant lebte wie so viele Elefanten mit seiner Mama und seinem Papa im Zoo.
Doch Latif war so ganz anders als alle anderen Elefanten. Er spürte es irgendwie, aber er wusste es nicht. Und seine Eltern wussten das auch nicht.
Es begann schon am Morgen, wenn der kleine Elefant aufstehen musste. Dann kam der Wärter ins Gehege und führte die Elefanten an einem Strick zum Badeplatz. Er schruppte ihre Rücken mit einer großen rauen Bürste.
Davor hatte Latif jeden Tag Angst, denn die harte Bürste tat ihm auf der Haut weh und das Wasser war zu kalt. „Aua, ich mag das nicht“, jammerte der kleine Elefant unter Tränen, „Ich wünschte ich wäre in Freiheit und könnte mir am Fluss selbst den Rücken abspritzen“.
Doch seine Mama meinte nur: „Jetzt stell dich nicht so an, Latif. Du bist undankbar. Das kann doch nicht so wehtun. Elefanten haben eine dicke Haut. Und was redest du von Freiheit? Wir leben schon immer hier im Zoo. Uns geht es gut.“
Dann ging es weiter zum Elefantentraining. Dort war ein Wärter mit dem Stock, der vielen kleinen Elefanten beibrachte, was man eben so als Elefant können muss: Schwere Baumstämme heben, Wasser spritzen, in einer Reihe marschieren.
Total erschöpft kam Latif am Abend nach Hause. „Was ist denn mit dir los? Jetzt lass dich nicht so gehen“, bekam er von seinem Vater zu hören.
„Das Getrampel der Elefantenkinder tut mir in den Ohren weh. Ich höre es immer noch in mir klingen. Die Sonne blendet mich und die anderen Elefantenkinder lachen mich aus, weil ich nicht so schwere Baumstämme tragen kann. Aber das Schlimmste ist“, sagte der kleine Elefant, „dass ich heute auf dem Heimweg eine Ameise zertrampelt habe. Sie tut mir so leid“.
„Du übertreibst schon wieder, machst aus der Mücke einen Elefanten“, meinte Papa Elefant „allen anderen Elefantenkindern macht das ja auch nichts aus. Und so kleine Ameisen, was gehen die uns an?“
Lange konnte Latif am Abend nicht einschlafen. Er dachte über die Worte seiner Eltern nach und fühlte sich so unverstanden, so alleine, so falsch.
„Was ist nur mit mir los, dass ich die Welt da draußen so anders erlebe?“ fragte sich der kleine Latif. „Ich kann mir selbst nicht mehr trauen. Irgendwie wäre es gut, wenn ich einen Trick hätte, um meinen Körper auszuschalten. Ich würde nicht mehr spüren, wenn der Wärter mir mit der harten Bürste den Rücken schrubbt, würde das Getrampel in den Ohren nicht mehr hören und die Sonne würde mich nicht mehr blenden.
Und so machte Latif einen Knoten in seinen Rüssel, der so unangenehm war, dass er all die anderen Unannehmlichkeiten nicht mehr spürte. Er bekam kaum noch Luft, fühlte nichts mehr und spürte nichts mehr, nur noch die Enge des Knotens und unendliche Leere.
„Komm mit, wir spielen auf der Wiese“, sagten die Elefantenkinder am nächsten Tag. Aber Latif konnte sich mit seinem Rüssel nicht mehr bewegen. Er hatte keine Lust zum Spielen. „Ich gehe lieber ins Elefantenhaus und lese meine Bücher“, antwortete er. „Du bist nicht ganz normal,“ bekam er zu hören.
Mit diesen Worten schlief er auch an diesem Abend ein. In der Nacht hatte er einen wundersamen Traum. Die kleine Ameise erschien ihm und krabbelte auf seinen Rüssel. „Hallo Latif, der dich gemacht hat schickt mich und ich bin gekommen, um dir seine Botschaft mitzuteilen“, verkündete die Ameise, „Das musst du wissen: Du bist nicht falsch, du bist nur anders. Du hast eine dünnere Haut, als andere Elefanten. Daher kannst du die Kälte und die raue Behandlung spüren. Du kannst den Drill der Gefangenschaft hören und du ahnst die Freiheit der Steppensonne. Auch die kleinsten Tiere nimmst du voller Liebe wahr. Das ist deine Bestimmung. Darf ich deinen Knoten lösen?“, fragte die kleine Ameise so sanft und zart. Da nickte das Elefantenkind. Die Ameise kitzelte ihn an der Nase. Dadurch musste Latif niesen und sein Knoten löste sich. „Erzähle es allen anderen,“ rief sie noch hinterher.
Dann wachte Katif auf. Er fühlte er sich unendlich frei, stark und mutig. Nun wusste er, was er zu tun hatte.
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